Herr Klee, im Alter von zehn Jahren begannen Sie, Gitarre zu spielen, zwei Jahre später erhielten Sie Klavierunterricht. Ihr eigentliches Interessensgebiet war jedoch von Anfang an eher die Konzertgitarre als die poporientierte Gitarre.
Es hat wenig Sinn, in aller Ruhe für sich allein zu lernen. Man muss wissen, was andere tun, um nicht den Anschluss zu verlieren. Und man sollte auch Dinge anhören, die nicht der eigenen Vorstellung entsprechen – denn gerade das kann die eigene Haltung festigen und den persönlichen Weg schärfen. So entwickelt man Selbstkritik, und die ist für jeden Künstler absolut unverzichtbar. Mein früherer Lehrer Altenburg hat mir eine hervorragende technische Grundlage vermittelt. Sie ermöglichte es mir, meine autodidaktischen Studien auf dieser Basis weiterzuführen.
Die große Ausdruckskraft von Julian Bream zum Beispiel hat mich tief beeindruckt. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man genießt sie einfach als Zuhörer – oder man geht der Frage nach, durch welche technischen Mittel ein solcher Ausdruck entsteht.
Die Kunst liegt im Detail. Die Entwicklung eines klaren, reinen Tons ist nur der Anfang. Viele Gitarristen – auch bekannte – bleiben an diesem Punkt stehen und geben sich damit zufrieden. Sie spielen mit einem gleichförmigen, etwas langweiligen Klang, der mich an schlecht gespielte Klaviermusik erinnert. Doch die Gitarre ist wie eine Orgel mit vielen Registern – und darüber hinaus gibt es noch unendlich viel zu entdecken.
Welche Rolle spielte Robert Brojer in Ihrer künstlerischen Entwicklung?
Er spielte eine sehr entscheidende Rolle, denn er war eine große Musikerpersönlichkeit. Er arbeitete mit seinen Schülern die musikalischen Details sorgfältig heraus. Ich denke, er gehörte zu den wenigen Gitarrenpädagogen, die ein wirklich fundiertes Wissen über die Artikulation in den verschiedenen Epochen besaßen. Er konnte auf langatmige inhaltliche Interpretationen verzichten und erteilte seinen Unterricht ganz nah am Notentext – kurz, präzise und zielgerichtet. Sein Unterricht gab mir den Anstoß zu einer methodischen Notwendigkeit des Interpretierens, insbesondere in Bezug auf Phrasierung und Stimmenführung.
Nach jeder Stunde mit ihm schrieb ich gewissenhaft all seine Bemerkungen nieder und versuchte, daraus allgemeine Erkenntnisse zu gewinnen. Darüber hinaus faszinierte mich seine natürliche Menschlichkeit und seine fast väterliche Wärme, die sich zugleich in einer gewissen Autorität ausdrückte. Er war ein brillanter Musiker, der die unterschiedlichsten musikalischen Zusammenhänge souverän beherrschte. Erst einige Jahre später wurde mir klar, woher er dieses Wissen hatte: Ursprünglich war er Musiker eines Instruments, das eine lange historische Entwicklung und damit auch eine pädagogische Tradition durchlaufen hatte – der Violine.